Kamille Wirkung und Anwendung, Kamillentee (2024)

1. Was ist die Echte Kamille?

Karl Heinrich Wagerl bringt in seinem Buch „Heiteres Herbarium“ das Wichtigste, was über die Heilpflanze Kamille zu sagen ist, sehr schön auf den Punkt:

Die Kraft, das Weh im Leib zu stillen
verlieh der Schöpfer den Kamillen.
Die blühn und warten unverzagt
auf jemand, den das Bauchweh plagt.
Der Mensch jedoch in seiner Pein
glaubt nicht an das, was allgemein
zu haben ist. Er schreit nach Pillen.
Verschont mich, sagt er, mit Kamillen, um Gotteswillen!

Das, was diese Heilpflanze seit der Antike für den Menschen leistete, übernehmen heute leider meist chemisch-synthetische Magenmittel. Wenn aber jemand über die Wirksamkeit dieser berühmten, allgegenwärtigen, aber immer seltener werdenden Heilpflanze stolpert, ist er überrascht von dem, was sie kann. Fast jeder kennt sie. Wohl in fast jedem Haushalt finden sich ein paar Beutel Kamillentee für den Fall, dass der Magen mal grummelt.

2. Was bedeuten die Namen?

Mit „echt“ bezeichnet man nur die Art aus der Gattung der Kamillen, die als Heilpflanze verwendet wird. Zwei wissenschaftliche Namen für die Echte Kamille sind anerkannt: Matricaria recutita L. und Matricaria chamomilla. Oft findet man aber auch noch die Bezeichnung Chamomilla recutita.

Der Name Chamomilla entstand aus chamai (niedrig) und melon (Apfel) wegen des bodennahen Wachstums und des apfelartigen Geruchs der runden Blütenköpfchen. Davon wurde dann die bei uns gebräuchliche Bezeichnung Kamille abgeleitet.
Der wissenschaftliche Name Matricaria beinhaltet die lateinischen Begriffe mater und matrix. Mater bedeutet Mutter und Matrix steht hier für die Gebärmutter. Verantwortlich für diese Namensgebung ist die Tatsache, dass sowohl die Echte Kamille als auch das sehr ähnliche Mutterkraut als „Kraut der Mutter“ galten. Das Mutterkraut trägt heute den wissenschaftlichen Namen Tanacetum parthenium und war ursprünglich mit „Matricaria“ gemeint. Beide Heilpflanzen haben ähnliche Inhaltsstoffe und kamen volkstümlich z. B. als Kamillentee sowohl bei Problemen während Schwangerschaft und Geburt als auch im Wochenbett und beim Kind zum Einsatz.

Heute weiß man, dass die getrockneten Blüten entzündungshemmend und krampflösend wirken. Deshalb kommen sie vor allem als Kamillentee bei entzündlichen Erkrankungen des Magen-Darm-Bereichs zur Anwendung.

3. Wo findet man die Echte Kamille?

Die Echte Kamille ist eine einjährige Pflanze. Das bedeutet, dass die Pflanze den Winter nicht übersteht, aber ihre Samen dafür sorgen, dass sie auch im nächsten Jahr wieder am gleichen Ort wachsen kann. Dieser Ort – das waren noch vor wenigen Jahrzehnten insbesondere die Getreidefelder und Wegränder. Leider gehört die Kamille zu den Pflanzen, die durch den Einsatz von Herbiziden, also Unkrautvernichtungsmitteln, weitestgehend ausgerottet wurden. Dabei ist sie eine der Pflanzen, die die Bezeichnung „Un“- Kraut am wenigsten verdienen. Sie ist nicht nur eine bedeutende Heilpflanze, sondern kann auch das Wachstum anderer Pflanzen positiv beeinflussen und wirkt gleichzeitig bodenverbessernd. Anders herum hat sie, wenn sie im Getreidefeld wächst, den höchsten Wirkstoffgehalt.

4. Welche Kamillensorten gibt es und woher kommt die Echte Kamille?

Je nach Autor gibt es weltweit ungefähr sieben Arten. Diese sind in Europa, Kleinasien und den gemäßigten Klimagebieten Asiens, Nordafrikas und Nordamerikas verbreitet. Neben der Echten Kamille (Matricaria chamomilla L.) gibt es bei uns einige Doppelgängerinnen, mit denen man sie verwechseln kann. Die Strahlenlose Kamille beispielsweise (Chamomilla discoidea) – sie durftet ähnlich, ihren Blüten fehlen aber die weißen Strahlenblütenblätter. Sie hat nur die gelben Röhrenblüten. Oder die Geruchlose Kamille (Matricaria inodora). Zum Verwechseln ähnlich sind auch die Hundskamillen. Sie gehören einer anderen Pflanzengattung (Anthemis) an, sind aber sehr ähnlich, duften jedoch weniger gut bzw. riechen sogar etwas unangenehm. Ihre Blüten-Böden sind nicht hohl, wie bei der Echten Kamille.

Ursprünglich kommt die Echte Kamille aus Vorderasien sowie Süd- und Osteuropa. Sie hat sich aber auf dem gesamten europäischen Kontinent verbreitet und ist mittlerweile sogar in Nord- und Südamerika sowie in Australien zu finden.

5. Wie wirkt die Echte Kamille und wofür wird sie angewendet?

Die Echte Kamille gehört zu den bekanntesten und best-untersuchtesten Heilpflanzen. Viele Einzelwirkstoffe sind an der Gesamt-Wirkung beteiligt. Eine besondere Rolle spielen dabei die ätherischen Öle, die bis zu 1,4 % ausmachen können und deshalb auch isoliert verwendet werden. Alkoholische Extrakte enthalten in Abhängigkeit von der Alkoholmenge bis zu 3 % Flavonoide und 0,3 % ätherische Öle. In einem Tee-Aufguss sind nur 0,02 % ätherische Öle enthalten, dafür aber andere Inhaltsstoffe, wie Schleimstoffe und Flavonoide.

Kamillenblüten haben in erster Linie eine entzündungshemmende und wundheilungsfördernde Wirkung auf Haut und Schleimhäute. Deshalb kommen sie äußerlich als Auflagen oder Badezusatz zum Einsatz. Aber auch für die innerliche Anwendung ist Kamillentee bzw. -tinktur exzellent geeignet: Hier dienen sie als Spülung, Gurgellösung oder Zusatz zur Inhalation. Die wichtigsten Einsatzgebiete dafür sind Entzündungen in der Mundhöhle, des Zahnfleisches, im Anal- und Genitalbereich und in den Atemwegen.

Darüber hinaus haben Kamillenblüten eine krampflösende Wirkung. Dadurch eignen sie sich gut bei Magen-Darm-Problemen. Die Kombination aus krampflösender und entzündungshemmender Wirkung macht den Tee aus den getrockneten Blüten zu einem hervorragenden Mittel bei Magenschleimhautentzündungen. Auch pflanzliche Fertigarzneimittel, die bei schmerzhaften Verdauungsproblemen zum Einsatz kommen, enthalten oft die Echte Kamille.

Im Rahmen der Phytotherapie kommen insbesondere diese Anwendungen zum Einsatz

  • ätherisches Kamillenblütenöl, auch als Bestandteil von Fertigarzneimitteln. Es ist beispielsweise zum Herstellen von Gurgellösungen und Auflagen geeignet.
  • Flüssigextrakte, die u.a. zu pflanzlichen Arzneimitteln für Magen und Darm verarbeitet werden
  • getrocknete Blüten als Kamillentee. Dafür übergießt man einen gehäuften Esslöffel getrockneter Kamillenblüten mit 150 ml kochendem Wasser und lässt den Sud ca. 5-10 Minuten ziehen, bevor man ihn durch ein Teesieb abgießt. Bei Magenschleimhautentzündungen sollte man 3-4-mal eine Tasse Kamillentee zwischen den Mahlzeiten trinken, am besten immer frisch zubereitet. Auch zum Durchführen einer Rollkur ist der Tee geeignet.
  • Gurgellösungen aus Kamillentee oder mit Kamillenblütenöl
  • Badezusatz. Dafür kommen idealerweise 50 Gramm Kamillenblüten auf 10 Liter Wasser.
  • Aufgüsse für Umschläge und Spülungen. Für die optimale Wirkung sollten die Aufgüsse 3- bis 10-%ig sein.
  • Zusatz für Inhalationen. Auch hierfür eignen sich sowohl die ätherischen Öle als auch Aufgüsse

6. Können Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen auftreten?

Unerwünschte Nebenwirkungen sind bei der Anwendung der Echten Kamille kaum zu befürchten. Da sie aber zur Familie der Korbblütler gehört, muss man mit Kreuzallergien rechnen, wenn man auf andere Korbblütengewächse wie Beifuß, Echinacea oder Arnika bereits allergisch reagiert. Allergische Reaktionen können auch auftreten, wenn man Kamillenblüten beim Sammeln mit den sehr ähnlichen Blüten der Hundskamille verwechselt: Hundskamillen (Anthemis-Arten) haben ein deutlich höheres allergenes Potential.
In der Homöopathie kommt die Echte Kamille mit der Bezeichnung Chamomilla zum Einsatz.

Quellenangaben & weiterführende Literatur

Bücher

  • Schilcher, H.: Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer. Elsevier GmbH, 5. Auflage 2016*
  • Hiller, K., Melzig, MF: Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen, Sonderausgabe für Area Verlag GmbH 2007*
  • Madaus, G.: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Mediamed Verlag 1989 1938*

*: Bei Literatur: Erscheinungsjahr; bei Webseiten: Datum des letzten Abrufs

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